Schon im frühen 5. Jahr hundert vor Christus schrieb Hippokrates - der Vater der Medizin: „Der Arzt muss in vielen Dingen erfahren sein, gewiss aber im Reiben. Denn Reiben kann ein Gelenk festigen, das zu locker ist, und ein Gelenk lockern, das zu steif ist“.
In allen Hochkulturen, in denen Massage Tradition hat, ist man jedoch weit davon entfernt, diese Urform der Heilkunst als rein materialistische und mechanische Behandlungsform anzusehen.
Massage ist eine Möglichkeit, eine neue und natürliche Berührungskultur aufzubauen und zu pflegen. Masseur*in zu sein ist ein zutiefst fühlender, neugieriger Zustand. Das Wunder dabei ist, dass sich das erfühlte Objekt verändert. Ein Spiel aus Tanz, Loslassen und Ausprobieren, im besten Fall mit einer künstlerischen Leichtigkeit.
Berührung bedeutet Kontakt - Beziehung zu dem, was außerhalb von uns selbst liegt durch ein intaktes oder zu reparierendes Körpergefühl. Und für Menschen ist Berührung von lebenswichtiger Bedeutung.
„Die Menschen werden spüren, wenn Du etwas mit Leidenschaft machst“
Bei einer guten Massage wird der Autopilot des Alltags vom Therapeuten ausgeschaltet und die eigene Aufmerksamkeit gezielt auf das aktuelle Erleben gerichtet. „Wohin wandern meine Gedanken?“. Ohne Wertung wird die automatische Reaktion auf einen Gedanken unterbrochen und die verschiedenen Möglichkeiten zu reagieren (…) werden bewusst. Eine Art Meditation.
Dieser Beruf eignet sich gut dafür, ihn mit Leidenschaft auszuüben. Massage ist nicht nur ein physischer Vorgang - das entdeckt man spätestens, wenn man praktiziert. Verständnis für den Körper und dessen „Besitzer“, den wir unter den Händen haben, entwickelt sich durch unsere eigene Einfühlung und der Einstellung: „Ich bin jetzt gerade hier, um zu helfen…“.
Der Hauptnutzen der Wellnessmassage ist die totale Entspannung. Das „abgeben“ des eigenen Körpers. Indem wir Spannungen lindern, verbessern wir die Blutversorgung, die Elastizität der Faszien, des Prana, des Chi, den Meridianen sorgen für ungehindertes Funktionieren der Gelenke, Nerven, des Liquor und stellen eine Harmonie unter allen Körperfunktionen und Säften her. Massage kann anregend oder beruhigend sein, je nach der Geschwindigkeit und Tiefe der Griffe. Dabei werden auch Gelenke wieder in die richtige Position massiert. Ganz fließend, ohne Gewalt, teils ohne Geräusche. Eine Massage kann einen Heilungsprozess in Gang setzen, der weit über den Köper hinaus in die Psyche geht. Auch indem sie dem Körperbesitzer sein Körpergefühl neu vermittelt.
Massage ist: „ easy to learn but hard to master “.
Jeder kann es, denn im Grunde wenden wir sie in ihrer einfachsten Form alle instinktiv an. Wir streichen über die Stirn, wenn wir müde sind oder Kopfweh haben, wir tätscheln den Kopf, die Schultern oder die Wangen, wenn wir sie trösten wollen, wir halten liebevoll die Hand eines Freundes, und wir reiben eine schmerzende Körperstelle genauso selbstverständlich, wie wir ein Haustier streicheln. Das Hormon Oxytocin hat auch den Beinamen "Kuschelhormon".
Ziel unseres Berufs ist es, an der Weiterentwicklung dieser natürlichen Fähigkeit zu forschen und sie (uns) ständig zu verbessern und die therapeutischen Kräfte der Hände und die Fähigkeit durch diese zu befunden zu entwickeln.
Als Kinder fühlen wir uns meist noch in uns selbst zu Hause und haben Zugang zu unserer eigentlichen Natur. Im Einklang mit unseren Bedürfnissen. Doch wenn wir älter werden, verbringen wir mehr und mehr Zeit damit, im Kopf zu leben.
Es ist immer eine gute Zeit, um zum Körper zurückzukehren, indem wir die Kunst der Berührung erfahren. Körpersprache ist eine gemeinsame Sprache, die wir benutzen können, um zu heilen und um die Tatsache mitzuteilen, dass uns was am anderen liegt.
Erst, wenn wir massieren oder selbst massiert werden erkennen wir, wie viel Energie durch Spannung, Schmerz oder Stress verzehrt wird ganz zu schweigen von Fehlhaltungen und damit verbundenen Blockaden.
Wir werden jedoch auch erkennen, wie sehr wir von der Energie anderer Menschen beeinflussbar sind.
Wir haben uns zu weit von unseren Instinkten entfernt, wenn wir die Sprache der Berührung ausschließlich allem, was mit Sexualität verbunden ist, vorbehalten. Denn es ist eine Sprache.
Dein Wohlbefinden und Deine Fähigkeiten, während Du massierst, sind eng verbunden mit Deiner Atmung und Deiner Haltung. Wie bei Tennisspielern, ist auch bei uns Beinarbeit und Haltung entscheidend, wie sich ein Griff anfühlt. Somit achten wir auf wechselnde Positionen zur Massagebank und dem Körper des Klienten. Ob wir sitzen, knien (Shiatsu) oder stehen, der Körper sollte ausgeglichen und entspannt sein. Damit die Energie / das Chi frei fließen kann, bewegen wir uns auch in Bauch und Becken, machen kleine Ausfallschritte und benutzen das ganze Körpergewicht, um Druck auszuüben: mit Händen, Armen, Schultern. Dadurch wie wir uns bewegen, vermeiden wir, dass wir angespannt, müde oder unausgeglichen werden. Auch fallen uns, ganz instinktiv, neue Griffe ein, wenn wir unsere Position zum Gast und der Massagebank verändern.
Unser Muskelgedächtnis hilft uns: durch einüben und wiederholen, findet unser Körper nach und nach ganz „instinktiv“ die richtigen Stellen, Form, Bewegungen und Druck. Das ist etwas, das mit dem ständigen Arbeiten immer wundersamer wird. Es hilft uns auch, unseren Kopf auszuschalten, denn: auch zu sehr zu wollen, dass eine Massage gut wird, - kann etwas blockieren, in uns oder auch dem Gast. Unser Muskelgedächtnis hilft uns, instinktiv zu arbeiten, jedoch ohne „Autopilot“.
Von zentraler Bedeutung für den Erfolg jeder Therapie ist auch der seelische Zustand in uns und unsere Einstellung dem Gast gegenüber. Ihr solltet jede Sitzung als neue Erfahrung ansehen und eurer Arbeit jedes Mal ein Gefühl von echter Fürsorge und Respekt entgegenbringen. Jeder Körper ist anders.
Sprecht mit dem Gast über das, was in der Behandlung passieren wird: stellt die Behandlung und alle eingesetzten Produkte vor. Sagt dem Gast bis wohin ihr ihn aufdecken wollt – bis wohin ihr massieren werdet. Bietet ihm an zu helfen, seinen Schmuck auszuziehen und stellt fest, ob es besondere Probleme gibt. Mit eurer Präsenz und eurer Stimme gebt ihr ihm schon jetzt ein Gefühl – von Geborgenheit, von Vertrauen.
Im Allgemeinen aber sollten wir bei der Massage keine Unterhaltung führen - dadurch verlieren wir nur die Konzentration und können leicht die Kostbarkeit bewusster Berührung der Sprache opfern. Körpersprache ist unsere Sprache, verbales Reden eine andere. Beides gleichzeitig funktioniert nicht.
Der Zustand einer offenen, nonverbalen Fragenstellung an den Körper des Gastes, mit jedem Griff; neugierig, suchend,- ist die beste Grundhaltung für einen therapeutischen Beruf. Jeder einzelne Griff ist dann eine Frage in das Gewebe des Gastes. Offen für das, was als Antwort kommt. Immer bereit, Druck, Geschwindigkeit und Ablauf darauf einzustellen. Dafür müssen wir lernen, uns während den Behandlungen zurückzunehmen. Es muss still sein in uns.
Auch etwas Mut (…) gehört dazu.
Für alle Berührungstherapien müssen wir die Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt richten, denn das Heilende, was durch unsere Hände übertragen wird, wird durch geistige Abwesenheit geschwächt oder abgelenkt. Wenn wir zentriert sind, werden wir durch Intuition angeleitet und spüren schneller, ja zum Teil sogar unbewusst, wo die Quellen von Spannung liegen und wo etwas nicht im Gleichgewicht ist. Wir werden in der Lage sein, die richtige Berührung für jeden Körperteil zu finden und zu unterscheiden, zwischen einer „Streichelmassage“ oder einer, die angenehm wehtut – ein sogenanntes „Wohl-weh“. Dieses Wohl-weh ist meist der perfekte Reiz, der „Sweetspot“, den es zu finden gilt. Nicht immer, aber bei den meisten Massagen sollte sich dieses Gefühl wenigstens einige Male einstellen. Wenn unsere Gedanken abzuschweifen beginnen, bringen wir sie sanft zurück und beruhigen unseren Geist, indem wir ihn „sein lassen“ -indem wir uns z.B. auf das Atmen konzentrieren.
Eigentlich sind die Begriffe „geben“ und „empfangen“ täuschend, da jede Form der Berührungstherapie eine Sache des Miteinander-Teilens ist. Und: je mehr ich bereit bin „zu senden“ – desto mehr „empfange“ ich auch.
Der Empfänger, also der Gast, muss sich im Vertrauen uns, dem Gebenden überlassen; das können wir nur schaffen, indem wir sensibel für die Bedürfnisse des Empfängers sind: indem der Gast zum Beispiel immer korrekt gelagert wird, indem wir den Gast unsere Stimme hören lassen, wenn wir den Raum betreten und mit der Tonlage spielen, - indem wir ihn berühren, während wir die Bank nach oben oder nach unten fahren.
Aber auch, indem wir ihm das Gefühl geben, hier und jetzt sein „Fels in der Brandung zu sein“. Für diese Behandlung. Er darf uns vertrauen, soll sich fallen lassen.
Keine Therapie ohne Vertrauen. Placebo wirkt.
Zu privat zu sein, im Gegensatz dazu, kann bewirken, dass der Gast Mitleid bekommt: „dem Therapeuten geht es nicht gut und jetzt muss er mich mit seinen Problemen auch noch massieren …“ Dieser Gast kann die Massage dann auch nicht mehr genießen.
Auf höchster Ebene kann Massage also auch eine Form der Achtsamkeits-Meditation bei uns sein, bei der beide Teilnehmer sich auf den Berührungspunkt zwischen sich konzentrieren. Ein Tanz. Dieser stille, innere, achtsame Zustand drückt sich über Bewegung aus und tritt in Dialog mit dem anderen, wird erfahrbar durch Berührung und erzeugt ein tiefes Sich-Verbunden-Fühlen, zu dem die Sprache kaum fähig ist.
„…und so berührt Massage weit mehr als nur Haut, als Muskeln, Faszien und Knochen …. Unsere „Wirkung“ findet nicht nur dort statt, wo wir den Gast berühren. Und sie ist auch nicht vorbei, wenn wir unsere Hände von ihm nehmen…“
Die Art, die wir lehren, wird als intuitive Massage bezeichnet. Was ist mit Intuition gemeint? Die Intuition, mit der Vögel ihre Nester bauen oder Pflanzen die Blätter ihres Wirts nachahmen können. Ein tiefes Verständnis in jedem Lebewesen für sein Umfeld, das teilweise am Bewusstsein vorbei stattfindet. Wenn man zuhört! Siehe auch kollektives Unbewusstes nach C.G. Jungs „Landkarte der Seele“ oder das morphogenetische Feld z.B. zwischen Vögeln. Im Unterschied zu einer bestimmten Technik wie der Sportmassage oder der schwedischen Massage bedienen wir uns aus vielen bekannten Techniken und lassen diese stets in jede unserer Massagen mit einfließen. Diese ganzheitliche Technik ist intuitiver, als sich nur auf bestimmte Körperteile des Empfängers zu konzentrieren. Unsere Bewegungen sind im Allgemeinen auch langsamer und meditativer. Wir arbeiten Körperzonen dabei nicht „modular“ ab. Professionelles Massieren auf diese Art ist wie Meditation für den Therapeuten. Wir nutzen unseren eigenen Körper als Werkzeug.
Die Rolle des Empfängers besteht darin, entspannt, passiv, aber wach zu bleiben, sich auf die Berührungen des Gebers zu konzentrieren. Der Geber sollte versuchen, zentriert (leer) zu bleiben, zuzuhören, in jedem Moment und eine Einstellung von Neugierde, des „Wissen-wollens“ und der Fürsorge einbringen und dabei seine Griffe rhythmisch von einem zum anderen fließen lassen.
Allein dieses neugierige Suchen, Abtasten und Entdecken im Gewebe unseres Gastes erzeugt ein perfektes Gefühl der Ernsthaftigkeit und des Wahrgenommen werden.
Auch eine Variabilität ist wünschenswert. Ihr sollt üben, asynchrones Arbeiten zu beherrschen. Wie ein Schlagzeuger, der mit der linken Hand etwas anderes macht als mit der rechten …
… die Vorteile sind:
Es fühlt sich für den Gast „bewusster“, nicht abgespult an
Ihr entdeckt dabei viel Neues für euch
Ihr trainiert euer Körpergefühl, eure Balance viel besser
Ihr könnt „Areale“ für euch eingrenzen und abdecken. Beispielweise wenn ihr eine Hand auf das Kreuzbein legt und die andere auf den Hinterkopf, habt ihr damit zwischen euren Händen die gesamte Wirbelsäule. Jetzt braucht das Kreuzbein vielleicht einen etwas spürbareren Druck als der Hinterkopf und auch der Rhythmus, den ihr gebt, darf gerne unterschiedlich ausfallen bei diesem Griff
· Ähnlich wenn ihr die eine Schulter, oder Oberarm des Körpers massiert, und eure andere Hand dabei an der Hand der gleichen Seite massiert. Das macht nerval Sinn. Auch könnt ihr mit eurer Hand (oder dem ganzen Arm), Ausstreichungen entlang des Rückens machen, während die zweite Hand im Nacken des Gasten etwas fester „zugange ist“. Somit lenkt die eine Hand den Körper von dem ab, was die andere Hand tut
Dieses asynchrone Arbeiten halten wir für wichtig zu erlernen. Es eröffnet unserer Arbeit viel mehr kreativen Spielraum, schützt unseren eigenen Bewegungsapparat und gibt dem Beruf viel mehr Tiefe.
Keine Aufgabe ist nur mit analytischen und objektiven Mitteln oder nur mit Verständnis und subjektiven Mitteln zu lösen. Jede unserer beiden Gehirnhälften trägt etwas zur Durchführung einer jeden Aufgabe bei. Beim Spielen von Musik muss auf die Stellung der Finger geachtet werden und das Einhalten des Rhythmus à linke Gehirnhälfte. Aber diese Fähigkeiten werden erst „temperiert“ durch die Stimmung, das Empfinden, die Ausdrucksweise und die Kreativität des Künstlers à rechte Gehirnhälfte. Ihr macht nichts anderes als ein Künstler. Ihr arbeitet kreativ und asynchron. Wichtig ist es zu lernen, was zu welchem Zeitpunkt angebracht ist.
Während der Massage bitte immer wieder den eigenen Körper wahrnehmen, in die Füße spüren, wie stehe ich, wie geht mein Atem, entspannt, tief, kommt die Bewegung nur aus den Händen oder bewege ich meinen Körper, um Druck und Rhythmus aufzubauen.
Auch die Augen zu schließen, bei der Massage, bringt euch weiter. So schärft das sofort alle anderen Sinne. Macht mal die Augen zu, wenn ihr euch rasiert oder die Zähne putzt-.
„Massage, die ohne Aufmerksamkeit ausgeführt wird, ist mechanisch, distanziert und bleibt an der Oberfläche.“ Massage ist eine Berufung, die das eigene Selbstwertgefühl steigern kann.
Wenn man entdeckt, welch enorme Fähigkeiten, welches Entwicklungspotential man noch in sich selbst trägt. „Anfassen ist simpel, Berühren ist Kunst“.
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